Als mit dem Abitur die Lehre endeteFestveranstaltung "218 Jahre Francisceum" lässt Erinnerungen bei Jubilaren wach werden

Verfasst von Daniela Apel am 13.07.2021

Bei der Festveranstaltung

Bei der Festveranstaltung "218 Jahre Francisceum Zerbst", die dieses Mal in der Stadthalle stattfand, durfte die Ehrung der Jubel-Abiturienten nicht fehlen. Torsten Huß, Vorsitzender des Fördervereins des Francisceums, überreichte den Frauen und Männern eine Anstecknadel, während Schulleiterin Veronika Schimmel gratulierte. Foto: Daniela Apel

Traditionspflege wird am Zerbster Francisceum gelebt. Umso bedauerlicher war, dass die Feier des Schulgeburtstages voriges Jahr pandemiebedingt ausfallen musste. Nun konnte sie endlich stattfinden die Festveranstaltung samt Ehrung der Jubel-Abiturienten, die auf einprägsame Erlebnisse zurückblickten.
Von Daniela Apel Zerbst ● Die gemeinsam durchlebte Schulzeit prägt. Das ist deutlich spürbar bei der Festveranstaltung “218 Jahre Francisceum”. Riesig ist die Wiedersehensfreude unter den früheren Klassenkameraden. Sofort werden vielfältigste Erinnerungen geweckt an eine Zeit, als das Gymnasium noch die Erweiterte Polytechnische Oberschule (EOS) von Zerbst war. Walter Ulbricht lenkte die Staatspolitik in der DDR, bevor ihn Erich Honecker aus dem Amt drängte.

Das erste Kennenlernen findet in Grimme statt

“Damaliger Direktor war Helmut Topf”, blickt die jetzige Schulleiterin Veronika Schimmel zurück. Sie übernimmt die Eröffnung der traditionellen Veranstaltung, die diesmal nicht im mittelalterlichen Gemäuer des Francisceums stattfindet, sondern im barocken Katharina-Saal der Stadthalle. Das ist allerdings nebensächlich, nachdem die Corona-Pandemie eine Durchführung im vergangenen Jahr völlig verhinderte.
So sind es gleich vier Abiturjahrgänge, die in feierlichem Rahmen geehrt werden. Nacheinander werden die einzelnen Klassen aufgerufen. Deutlich älter sind sie geworden, die ehemaligen Mitschüler, die als Neuntklässler erstmals aufeinandertrafen. Zum Kennenlernlager ging es da zunächst nach Grimme. “Das war so prägend, dass einige nie wieder zelten wollten”, erzählt Gisela Wilke schmunzelnd vom nicht aufhörenden Dauerregen.
Zusammen mit Ursula Böttge hält sie die Rede des Abschlussjahrgangs 1970, der neben dem Abitur gleich noch eine Berufsausbildung absolvierte – zum Rinderzüchter, Gärtner, Maschinenbauer oder Chemiefacharbeiter beispielsweise. Immerhin 70 Mark Lehrlingsgeld erhielten sie monatlich in der zwölften Klassen, sagt Gisela Wilke. Auf dem Rübenacker waren dann alle im Einsatz, um die Abschlussfahrt ins ferne Moskau zu finanzieren. 36 Stunden dauerte die Anreise mit der Bahn. Näher lag das Ziel der Parallelklasse, die es ins polnische Riesengebirge führte. Dort entdeckten die Jugendlichen englischsprachige Schallplatten, die sie mit Heftpflaster am Bauch befestigt, an den Grenzsoldaten vorbei nach Hause schmuggelten, wie Ursula Böttge verrät.
Es war eben eine andere Zeit. Das bekam auch Dr. Ulrich Bergt zu spüren, der 1961 sein Abitur ablegte. Dabei wäre er wegen einer Vier in Betragen beinahe gar nicht zur EOS zugelassen worden, die übrigens erst 1969 den Namen “Albert Kuntz” erhielt. Er habe einen Lehrer nicht gegrüßt, lautete der Vorwurf. Dass dies nicht mit Absicht geschah, zeigte sich nach einem Besuch beim Augenarzt, wonach die Zulassungskommission ihre Entscheidung revidierte.
Ein Jahr vor ihm erhielt Dr. Klaus Dürrwald das Abiturzeugnis. “Wir waren die erste Klasse von Walter Tharan”, erzählt er von dem jungen, dynamischen Mathe- und Physiklehrer, der auch anderen im Gedächtnis blieb. Selbst, als er eine reine Mädchenklasse, spezialisiert auf Sprachen, übernehmen musste, schlug sich Walter Tharan hervorragend, weshalb er während der Festveranstaltung immer wieder zum gemeinsamen Foto nach vorn gebeten wird.

Direktor beeindruckt mit gutem Namensgedächtnis

Übrigens genauso wie die Klassenlehrer Hartmut Siebert, der unter seinen Schützlingen eifrig für die Schalmeienkapelle warb, und Elisabeth Zander, die die Schüler mit ihrem Temperament begeisterte. Andere Lehrer hinterließen ebenfalls Eindruck – allen voran der Direktor. Eine imposante Erscheinung mit der Leidenschaft zur Jagd sei Helmut Topf gewesen, sagt Eberhard Kirchner. “Ich bin nicht nachtragend, aber ich habe ein gutes Gedächtnis”, zitiert ihn der Abiturient des Jahrgangs 1971. Zu jedem Gesicht habe er gleich den passenden Namen gewusst, staunt Eberhard Kirchner noch heute. Darüber hinaus achtete der Direktor stets darauf, dass die Haare der Jungs nicht zu lang und die Röcke der Mädchen nicht zu kurz waren.
Dass 1970 die Bezirksparteischule der SED nach Helmut Topf rief, war das Glück von Gisela Wilke und ihren Mitschülern. Sein Stellvertreter, ausgerechnet der Staatsbürgerkundelehrer, war mutig und erlaubte den politisch nicht mehr gewollten, traditionellen Umzug der Abiturienten durch die Stadt, wie sie schildert. Ihr gemeinsamer Notendurchschnitt lag bei 1,86, wie Veronika Schimmel in den alten Unterlagen herausgefunden hatte. 1971sei er ähnlich ausgefallen. “Genau ist das nicht vermerkt”, so die Schulleiterin. Wichtiger schien eine Notiz über die “große Schmach”, dass es unter den Schulabgängern nur drei Offiziersbewerber gab.
Vieles lässt sich nachlesen zu Ernteeinsätzen und Spartakiaden, zur FDJ-Arbeit oder auch der alljährlichen Exkursion nach Weimar, “die wir jetzt in der zehnten Klasse wieder aufleben lassen”, so Veronika Schimmel. Dennoch gibt es Lücken. “Nicht alles ist in den Archiven enthalten”, bittet sie hier um Unterstützung. Vor allem in manch dunkleres Kapitel gilt es noch Licht zu bringen wie um jene beiden Abiturienten, die von der Stasi abgeholt wurden.



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