Austausch ist fester ProgrammpunktSerie: 30 Jahre Städtepartnerschaft / Teil 4: Gymnasium Francisceum Zerbst und Mariengymnasium Jever

Verfasst von Petra Wiese am 11.09.2020

Auch die Stadtoberhäupter empfangen die Schüler regelmäßig während ihrer Austauschwoche. Archivfoto: A. Niemann

Auch die Stadtoberhäupter empfangen die Schüler regelmäßig während ihrer Austauschwoche. Archivfoto: A. Niemann

Am 28. Juli 1990 unterzeichneten Rudolf Schrickel und Helmut Behrendt für Zerbst sowie Siegfried Harms und Ingo Hashagen für Jever im Zerbster Schlossgarten die Urkunde über die Städtepartnerschaft. So alt wie diese Städtepartnerschaft ist auch die Partnerschaft des Zerbster Gymnasiums Francisceum und des Mariengymnasiums Jever. Von Petra Wiese Zerbst ● Die ersten Kontakte zwischen den beiden Schulen wurden gleich nach der Wende aufgenommen. Da ging alles noch ein bisschen drunter und drüber. In einem ersten Brief vom Direktor des Mariengymnasiums war zu lesen, dass er vergeblich versuchte, jemanden in der Schule telefonisch zu erreichen … Auf Einladung des Jeveraner Stadtdirektors Siegfried Harms fand dann Mitte März 1990 die erste Zusammenkunft der Schulvertreter statt. Der damalige Schulrat Rainer Burkhardt war eingeladen und Dr. Inge Werner, die zu der Zeit Direktorin in Zerbst war, begleitete ihn. Auch ihre Partner gingen mit auf die Reise nach Jever. Da gab es noch strenge Kontrollen an der Grenze, erinnert sich Inge Werner. Sie weiß noch, wie sie sämtliche Zeichnungen, die sie von Schülern im Gepäck hatte, auspacken musste. Die Beamten kontrollierten, ob da nicht eventuell ein echtes Gemälde dabei war, das man schmuggeln wollte. In Jever wurde das Quartett von Oberstudiendirektor Dr. Cord Degener empfangen. Es ergaben sich Möglichkeiten für Hospitationen, zu Gesprächsrunden, zur Einsicht in die Kursgestaltung und Prüfungsanforderungen sowie in die Verwaltungsarbeit. “Die Lehrer waren sehr interessiert, erkundigten sich nach unserem Schulsystem, den Fächern und Erziehungsfragen”, erzählt Inge Werner, “wir durften auch am Unterricht teilnehmen.” Über manches Verhalten der Schüler sei man schon erstaunt gewesen, blickt die ehemalige Direktorin zurück. In den Naturwissenschaften hätten die Zerbster Schüler mithalten können, in den Sprachen waren die Jeveraner weiter, war ihr Eindruck damals. “Das war schon aufregend”, denkt Inge Werner an den ersten Besuch in Jever zurück. Sie habe richtig Herzklopfen gehabt, vor den Lehrern aufzutreten. Die Zerbster waren privat untergebracht, am Abend fand ein privates Treffen mit den Lehrern statt. Den Gästen wurde dann auch die Frage gestellt, was sie gebrauchen könnten. Schulbücher! “Wir wollten gerne Schulbücher austauschen”, so Inge Werner. Mit der neuen Zeit waren nun neue Bücher in den Gesellschaftswissenschaften gefragt. Da konnten die Jeveraner aushelfen … Kurze Zeit darauf folgte schon der Gegenbesuch in Zerbst. Da gehörte Cord Degener zur Delegation samt Bürgermeister, Stadtdirektor und Vereinsvertreter. Der Jeveraner Schuldirektor nutzte die Chance, nicht nur die Stadt, sondern auch das Zerbster Gymnasium kennen zu lernen. Wie der Beginn der Partnerschaftsbeziehungen zwischen dem Mariengymnasium Jever und dem Francisceum Zerbst aussah, haben Kolleginnen, die damals dabei waren, zusammengefasst. Der Elternrat habe angeregt, die Beziehungen enger werden zu lassen, heißt es da. Vorstellungen und Anregungen des Schülerrates wurden aufgegriffen und zu Beginn des neuen Schuljahres 1990/91 an die Partnerschule weitergeleitet. Im Ergebnis wurde in Jever ein Konzept zur weiteren Entwicklung der Schulpartnerschaft erarbeitet. Begegnungen von Lehrern und Schülern sollten dabei eine entscheidende Rolle spielen. Im April 1991 fand dann in Zerbst die Namensgebung “Francisceum” für das Gymnasium statt. Da waren natürlich auch die Kollegen der Schulleitung aus Jever eingeladen, die herzlich empfangen wurden. “Die Lehrer waren sehr neugierig, als sie zu uns kamen”, so Werner. Und die haben vor allem das Gebäude bestaunt. Einige Parallelen konnten festgestellt werden, schon geschichtlich bedingt. Und so wurden auch die weiteren partnerschaftlichen Beziehungen vereinbart. Die ersten 15 Schüler reisten nach Jever und die Zerbster kamen in den Familien in den Genuss der friesländischen Gastfreundschaft. Von Begegnungen der Englisch-, Deutsch-, Chemie- und Biologielehrer wurde berichtet. Die gibt es heute nicht mehr. Was zur Tradition geworden ist, sind die alljährlichen Austausche der Schüler. Seit 2003 läuft der Schüleraustausch unter der Regie von Marlies Ernst. “In den ersten Jahren bin ich nur mitgefahren”, erzählt sie, dann übernahm sie die Organisation für eine ausscheidende Kollegin. “Wir sehen uns als Teil der Städtepartnerschaft”, sagt Marlies Ernst. Das wolle man auch in Zukunft mittragen. Jedes Jahr steht der Austausch auf dem Schulprogramm. Am Anfang waren es die Achtklässler, die fahren durften. Inzwischen sind es Schüler auch aus den 7. Klassen, die an dem Schüleraustausch teilnehmen können. 18 bis 20 Kinder fahren jedes Jahr für eine Schulwoche – von Montag bis Freitag – in die Partnerstadt. Im Abstand von einigen Wochen kommen dann die Jeveraner Kinder nach Zerbst. Im Mai, Juni, auf jeden Fall vor den Sommerferien, geht die Aktion über die Bühne. Die Teilnahme ist freiwillig. Es gab auch schon oft genug mehr Bewerber als Plätze, so Marlies Ernst. Bis zu 30 Schüler wollten da schon mitfahren. Ebenso groß ist meist auch das Interesse auf Jeveraner Seite, wo die Teilnehmer auch schon ausgelost wurden. Jedes Mal wird den Gästen einiges geboten. Die Schüler lernen sich gegenseitig kennen und erkunden die Region gemeinsam. Die Jeveraner besuchen Magdeburg, Dessau, das Zerbster Schloss, die Nicolaikirche, das Umweltzentrum. Bowlen, Klettern, Kino, Grillen und mehr stehen auf dem Plan. In Jever gehört neben Stadt- und Schlossführung meist auch ein Abstecher auf eine der ostfriesischen Inseln auf dem Programm. Marlies Ernst kann sich gut an einen Ausfl ug nach Langeoog erinnern. Wegen eines Sturmes musste man vorzeitig zurückfahren. Der Sturm wurde dann tatsächlich ganz schön heftig bis Windstärke 11. Von peitschendem Regen, erzählt Marlies Ernst. Nicht alle fanden Schutz, sogar im Maschinenraum des Fischkutters stellte man sich unter. “Pitschnass und gebeutelt waren wir mittendrin im Getöse”, so die Lehrerin. Aber selbst das tat dem Spaß keinen Abbruch. Tolle Erlebnisse gab es in all den Jahren. “Und die Schüler wollen auch unbedingt immer am Unterricht teilnehmen”, so Marlies Ernst. Von Ost-West-Unterschieden ist heute nichts mehr zu spüren. Aufgeschlossen lernen die Schüler gerne die jeweils andere Schule kennen. Das Mariengymnasium ist größer als das Francisceum und ebenso auf mehrere Gebäude verteilt. Baulich ist da viel passiert in letzter Zeit, so Marlies Ernst. Technisch seien die Jeveraner den Zerbstern voraus. In Friesland kommen die Schüler auch aus vielen Ortschaften, manchmal von ganz kleinen entfernt gelegenen Gehöften zusammen, ähnlich wie in Zerbst, das natürlich das altehrwürdige Klostergebäude zu bieten hat. Steht der Schüleraustausch bevor, nehmen die Teilnehmer heute schon vorher Kontakt über die sozialen Medien auf. Aber auch nach den Besuchen bleiben Verbindungen häufig bestehen. Es gibt Schüler, die sich noch Jahre später regelmäßig besuchen, weiß Marlies Ernst. Übrigens hat auch Inge Werner, die von 1984 bis 1991 die Direktorin am Weinberg war, noch immer Kontakt nach Jever: “Ich pflege heute noch die Freundschaft mit der Direktorenfamilie.” Auch nachdem der damalige Direktor Cord Degener verstorben ist. Ob es die Begegnung der Schüler in diesem Schuljahr geben wird, bleibt vorerst offen. Wünschen würde es sich die Schulleitung unter Direktorin Veronika Schimmel und ihrer Stellvertreterin Kerstin Görner, die voll dahinter stehen. “Das ist ein ganz fester Programmpunkt”, so Kerstin Görner. Dass der Austausch alljährlich durchgeführt werden kann, dafür sorgen mit ihrer Unterstützung nicht zuletzt die Francisceumsstiftung mit Veronika Schimmel an der Spitze und der Förderverein des Francisceums unter dem Vorsitz von Torsten Huß.



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